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Marketing kommt von Markt. Nicht von Sales.

„Technology is transforming choice, and choice is transforming the marketplace. As a result, we are witnessing the emergence of a new marketing paradigm—not a “do more” marketing that simply turns up the volume on the sales spiels of the past […] Marketing’s transformation is driven by the enormous power and ubiquitous spread of technology.”

Diese Zeilen stammen aus einem Artikel der Harvard Business Review. Obwohl sie nicht an Gültigkeit verloren haben, sind diese Zeilen älter als man erwarten würde. Denn der Artikel wurde bereits 1991 veröffentlicht.


Aber was genau hat sich verändert, wenn wir vor inzwischen fast 30 Jahren bereits darüber diskutiert haben, ob Technologien und Digitalisierung Heilsbringer für ein besseres, längeres Leben sind oder den Verlust von Arbeitsplätzen sowie den Anstieg von Unterdrückung und Ausbeutung bedeuten? Und was für Auswirkungen hat(te) das auf das Marketing?

So wie in den 80ern und 90ern mit dem privatisierten Fernsehen und der steigenden Anzahl an Print-Publikationen die Frequenz und Menge der Werbung extrem anstieg, tat sie das mit dem Einzug ins digitale Zeitalter erneut. Aus Werbung wurde Content. Aus Textern Content Marketer; mit dem Beginn des Internetzeitalters ist ein deutlich gestiegener Komplexitätsgrad zu verzeichnen. Während in der großen Zeit der Push-Werbung die Produktion kreativer Kampagnen im Mittelpunkt stand, wurden durch das Online Marketing Technik und Analyse immer wichtiger. Conversion und ROI waren und sind größtenteils immer noch das Maß aller Dinge.


Im Zuge des zunehmenden Technologie-Fokus scheinen wir vergessen zu haben, dass der Begriff Marketing eine Ableitung des lateinischen Wortes mercatus (Marktplatz) aus der römischen Antike ist. Römische Marktplätze wiederum waren die Weiterentwicklung der griechischen Agora - der dörfliche Versammlungsplatz. Ursprünglich noch außerhalb der verschiedenen Siedlungskerne gelegen, rückte die Agora mit zunehmender Ausbildung urbaner Strukturen mehr und mehr in das Stadtzentrum. Man erfragte Nachrichten über fremde Gegenden, Menschen und Zustände, erörterte Vorschläge und Pläne, man behauptete und bestritt, bewies und widerlegte. Man sammelte Erfahrungen und lernte Neues – durch selbst Erlebtes und Hörensagen.


Durch ihre zentralen Lage und guten Erreichbarkeit wurde die Agora so zum Marktplatz, auf dem nun auch regelmäßig Verkaufsveranstaltungen abgehalten wurden. Meist war er der Platz in einer Stadt, an dem auch das Rathaus errichtet wurde. Rund um die Märkte entstanden oft Herbergen, Gasthöfe und Kirchen. Der Markt war fortan nicht nur Handelsraum, sondern nach wie vor ein wichtiger Versammlungsort. Man tauschte nicht nur Waren, sondern vor allen Dingen Neuigkeiten aus. Kurzum: Es ging ums Geschichten erzählen.


Bis heute sind Marktplätze infrastrukturelle Zentren und soziale Orte, die wir besonders gern aufsuchen – z. B. wenn wir im Urlaub sind. Warum? Weil alle Sinnesorgane gefordert werden und ein Marktbesuch daher eine ganzheitliche „Experience“ ist? Oder weil Technologie fast keine Rolle spielt, sondern der Mensch im Mittelpunkt steht? Auch heute geht es oft nicht um den Kauf von Produkten, wenn wir einen Markt besuchen. Aber das Erzählen und Hören von Geschichten fasziniert uns immer noch. Wir lernen durch sie, fühlen uns unterhalten. Und Geschichten berühren uns. Sollte das alles nicht auch für den Begriff Marketing gelten – insbesondere mit Blick auf die Herkunft des Begriffs?


Storytelling wird im Marketing seit Jahren gepredigt und das Internet ist voll von Artikeln zu diesem Thema (z.B. bei Forbes, CMI, Digital Marketing Institute, uvm). Trotzdem wird storytelling oft als Verkaufstool betrachtet und weniger als Methode enge Beziehungen zu Kunden und damit verbunden eine loyale Gemeinschaft aufzubauen.


Vielleicht hilft es sich gelegentlich auf die Ursprünge des Begriffs zu besinnen, an den letzten Marktbesuch (im Urlaub) zu denken. Denn Geschichten sind in uns. Sie sind im Kern sozial, und wir alle sind ständig auf der Suche nach diesen Geschichten, die Antworten auf die Fragen unseres Alltags bringen.

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